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„Ein alter Mann wird älter“. Hermann Beil las am 14. Dezember um 20.00 h im Parktheater Bensheimaus dem „merkwürdigen Tagebuch“ von Günther Rühle. Der Eintritt war frei, der ausrichtende Rotary Club Bensheim-Heppenheim bat um Spenden für die Bensheimer Tafel. Herzlicher Dank geht an den rotarischen Freund Berthold Mäurer, der die Veranstaltung kuratierte und organisierte.

Diese Veranstaltung erinnerte an Dr. Günther Rühle, den großen Theatermann und Ehrenbürger der Stadt Bensheim, der vor einem Jahre am 10. Dezember 2021 gestorben ist. Günther Rühle hat in vielen Jahren die Kulturarbeit in Bensheim maßgeblich mit gestaltet und über die Stadtgrenzen bekannt gemacht. Als Präsident der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste hat er maßgeblich über viele Jahre an der Gestaltung und Umsetzung des Eysoldt-Ringes mitgewirkt. Ihm ist es auch mitzuverdanken, dass in Bensheim die Woche Junger Schauspieler und Schauspielerinnen eingerichtet worden ist und nun schon seit 27 Jahren erfolgreich durchgeführt wird.

Der Lesende Hermann Beil ist in Bensheim ebenfalls bekannt. Als bedeutender deutscher Theaterschaffender und Präsident der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste (2009 -2016) hat er sich federführend  für die Vergabe des Eysoldt-Ringes und die Woche Junger Schauspieler und Schauspielerinnen eingesetzt und diese zu der Bedeutung gebracht, die sie heute in der deutschen Theaterlandschaft haben.

Bibliographische Angabe: Ahrend, Gerhard (Hg.) / Rühle, Günther: Ein alter Mann wird älter. Ein merkwürdiges Tagebuch. Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Gerhard Ahrens, Berlin 2021 (Alexander Verlag Berlin), 232 Seiten, 2 Abb., Buchpreis EUR 22,90, E-Book EUR 19,99

Vom fortschreitenden Verlust des Augenlichts gezeichnet und nachdem er die Vollendung des dritten Bandes seiner Geschichte des »Theaters in Deutschland« hat aufgeben müssen, beginnt Günther Rühle im Alter von 96 Tagebuch zu führen. Die Eintragungen, ein halbes Jahr umfassend, fangen im September 2020 an und enden im April 2021. Rühle bekennt in seinen Tagebüchern, dass er in gut siebzig Jahren publizistischer Arbeit und nach »zigtausenden hingetippten Sätzen von mindestens 900 Kilometern Länge« versäumt habe, über sich selbst nachzudenken. »Am Rand des Lebens« angekommen, horcht er nun in sich hinein: Im Selbstgespräch ist er sich selbst der Stoff und beginnt, ins »Blinde« zu schreiben, denn lesen kann er die Zeilen nicht mehr.

Die Fragmente langer Tage und unruhiger Nächte schreiben sich in sein Tagebuch ein; verdrängte Gedanken und Gefühle, Eingebungen und Träume – »Bilder aus dem Dunkeln des Vergessens«, in denen die Erinnerungen an die Kindheit, den Krieg, den Nationalsozialismus ebenso eine Rolle spielen wie die Rückblicke auf seine journalistische Arbeit (FAZ, Tagesspiegel), die Arbeit als Theaterintendant und prägende Lebensbegegnungen (u.a. Bernhard Minetti, Martin Wuttke, Einar Schleef). Und natürlich immer gegenwärtig: das Nachdenken über das »Altern im Alter«. Darf man noch gespannt sein auf die Zukunft, wenn man bei wachem Geist der »körperlichen Abrüstung« zuschauen muss? Eine endgültige Antwort gibt es nicht: »Die Gefühle lösen einander ab. Morgens in sich gespalten, wünscht man sich das Ende und greift noch nach dem Leben. Zweimal und oft am selben Tag.«

Der forschend aufspürende Theaterhistoriker ist diesmal sich selbst auf der Spur und muss in seinen Aufzeichnungen festhalten: »Ich treffe immer öfter auf einen Unbekannten, der doch Ich war.« (Verlagstext Alexander Verlag Berlin)